PKW-Überlassung an Mitarbeiter: Warum muss ich plötzlich Umsatzsteuer zahlen – trotz umsatzsteuerfreier Ausgangsumsätze?

Es ist ein aktueller Fall unserer Kanzlei: Ein Unternehmen aus der Gesundheitsbranche stellt seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Fahrzeuge zur Verfügung – und nun kommt die Frage auf, ob eine solche Fahrzeuggestellung umsatzsteuerfrei ist, so wie die sonstigen erbrachten Leistungen, oder einer regulären Besteuerung mit 19 Prozent unterliegt. Das ist eine Situation, die uns bei überwiegend verordneten Leistungen nicht selten begegnet. Heute widmen wir uns also der Frage: Wie ist eine PKW-Überlassung umsatzsteuerlich einzuordnen, wenn die ansonsten erbrachten Leistungen umsatzsteuerfrei behandelt werden?

Machen wir das einmal konkret: Die Leistungen beispielsweise einer physiotherapeutischen Praxis sind, wenn ärztlich verordnet, von der Umsatzsteuer befreit. Hier greift § 4 Nr. 14 UStG für Heilbehandlungen durch medizinische Einrichtungen. Erbringen Sie nur verordnete Leistungen, sind diese steuerfrei und Sie müssen weder unterjährig Umsatzsteuer-Voranmeldungen einreichen noch eine jährliche Umsatzsteuererklärung abgeben. Mit der Umsatzsteuerbefreiung entfällt auch der Anspruch auf Abzug der Vorsteuern.

Die Befreiung von der Umsatzsteuer gilt selbstverständlich nicht für Leistungen, die über das verordnete Spektrum hinausgehen, oder für erzielte Umsätze aus Verkäufen in den Praxisräumen, zum Beispiel für orthopädische Einlagen, medizinische Geräte oder Präparate, ärztliche Wahlleistungen, Wellness-Massagen oder bei Selbstzahlern ohne Rezept. In der Regel, und da sprechen wir aus unserer Erfahrung, sind die Umsätze aus nicht verordneten Leistungen übers Jahr aber so gering – liegen also unterhalb der Umsatzgrenze von derzeit 22.000 Euro im Jahr –, dass eine Physiotherapie-Praxis unter die sogenannte Kleinunternehmer-Regelung nach § 19 UStG fällt. Dabei gilt: Je größer Ihre Praxis, je umfangreicher Ihr Gesamtangebot, desto näher rücken Sie der Umsatzgrenze – und wenn Sie die reißen, gilt die Umsatzsteuerpflicht für sämtliche grundsätzlich steuerpflichtige Umsätze. Aber das ist ja auch logisch – und den meisten auch schon bekannt.

Aber was hat das nun mit der Fahrzeugüberlassung zu tun?

Nun, etwas fachlicher formuliert, würden wir sagen: Wenn Sie Ihren Angestellten Ihrer physiotherapeutischen Praxis einen PKW zur auch privaten Nutzung überlassen, stellt das einen geldwerten Vorteil für Ihre Mitarbeiter dar (steuerrechtlich handelt es sich um einen Lohnzufluss), den Sie als Praxisbetreiber gewinnerhöhend zu erfassen haben. Die Anschaffungskosten sowie die laufenden Kfz-Kosten können Sie natürlich im Umkehrschluss auch als Betriebsausgabe geltend machen. Bei der Fahrzeugüberlassung handelt es sich umsatzsteuerlich um eine Dienstleistung an die Arbeitnehmer. Das Umsatzsteuergesetz sieht hier keine Steuerbefreiung vor – ähnlich wie bei den nicht verordneten Gesundheitsleistungen. Denn anders als beispielsweise bei einem Unternehmer selbst (wo es sich um eine unentgeltliche Wertabgabe handelt), geht man bei der Überlassung eines Fahrzeugs an die Mitarbeiter zur privaten Nutzung davon aus, dass ein tauschähnlicher Umsatz vorliegt, der immer der Umsatzsteuer zu unterwerfen ist: Sie tauschen Fahrzeugnutzung gegen Arbeitsleistung, denn Ihr Mitarbeiter bezahlt die Nutzung des überlassenen PKW mit seiner Arbeitskraft, die einen ganz bestimmten (Geld)Wert hat. Und genau diese Einnahme, die Ihnen dadurch zufließt, müssen Sie umsatzsteuerlich erfassen.

Abstecher: Was kostet mich das denn nun?

Wir machen das an dieser Stelle kurz – wenn Sie mehr erfahren wollen, können Sie sich gerne über das Kontaktformular weiter unten auf dieser Seite an uns wenden: Basis der umsatzsteuerlichen Berechnung ist die Höhe des geldwerten Vorteils für den Arbeitnehmer, dem der PKW überlassen wird. Hier wenden die meisten Unternehmen die sogenannte „Ein-Prozent-Regelung“ an: Hierfür wird pro Monat 1 Prozent des inländischen Bruttolistenpreises des Fahrzeugs angesetzt (das gilt für private Fahrten, die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte schlagen mit 0,03 Prozent des Listenpreises zu Buche). Bei 20 Angestellten, denen Sie übers Jahr 20 Fahrzeuge mit einem Listenpreis von 10.000 Euro überlassen, kommen Sie nach dieser Aufstellung mit 24.000 Euro geldwerter Vorteile bereits deutlich über die Umsatzgrenze für Kleinunternehmer!

Und an dieser Stelle wird es dann interessant: Durch das Überschreiten der Umsatzgrenze für Kleinunternehmer unterliegen in diesem Szenario sowohl die Fahrzeugüberlassung als auch sämtliche nicht verordnete Leistungen (siehe oben) vollständig der deutschen Umsatzsteuer. Es sind dann auf einmal vierteljährliche oder sogar monatliche Voranmeldungen an das Finanzamt zu übermitteln – und Umsatzsteuer abzuführen. Der Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen bleibt jedoch weiterhin nur eingeschränkt möglich. In den meisten Unternehmen ein echter Kosten- und Verwaltungsaufwand.

Wie immer bei steuerlichen Themen ist das hier eine Momentaufnahme im Mai 2021. In einem aktuellen EuGH-Urteil vom 20. Januar dieses Jahres zum Thema Fahrzeug-Überlassung bei Kapitalgesellschaften stellte das europäische Gericht fest, dass eine unentgeltliche Überlassung tatsächlich nicht zwangsläufig zu einem tauschähnlichen Umsatz führt. Die deutsche Finanzverwaltung besteht allerdings weiterhin auf der oben beschriebenen Ansicht. Hier könnte zukünftig aber Bewegung reinkommen.

Sollte es etwas Neues zu diesem Thema geben, werden wir es hier selbstverständlich aufgreifen – wie viele andere Themen, die wir bereits vorbereiten.

In diesem Sinne: Wir lesen uns!